Von einem Begriff ist daher zu sprechen, da betreffender Artikel im finalen Text der Urheberrechtsreform nicht mehr der Artikel 13, sondern der Artikel Nummer 17 ist.
Inhaltlich hat er sich allerdings kaum mehr verändert. Er stellt weiterhin eine Regelung dar, die jede Plattform betrifft, die „eine hohe Anzahl“ urheberrechtlich geschützter Werke der Öffentlichkeit zugänglich macht. Dies trifft auch auf von Nutzern hochgeladene Inhalte zu und beinhaltet sogenannte Videos on demand und auch Streams bzw. Liveübertragungen.
Inwieweit ist Twitch von Artikel 13 betroffen?
Da Twitch länger als 3 Jahre existiert, an die Öffentlichkeit gerichtet ist und verstärkt urheberrechtlich geschütztes Material verfügbar macht, ist Twitch klar als Plattform von den Artikeln betroffen.
Im Detail betroffen sind sämtliche auf Twitch zu findende Bilder, Videos, Livematerial, Musik und Texte, da es an nahezu jedem von Menschen hergestellten Werk einen Urheber gibt, der die Rechte daran besitzt. Denn selbst ein Kindergartenkind hat das Urheberrecht an seinem am Mittag gemalten Bild, und sollte dieses von einem Fremden — wie der Kindergärtnerin — bei Twitch hochgeladen werden, ohne dass Twitch die Rechte daran gekauft hat, ist das illegal und Twitch dürfte durch die neue Regelung von den Eltern dieses Kindes verklagt werden.
Was daran neu ist?
Das Urheberrecht an sich wird von Artikel 13 bzw. Artikel 17 nicht berührt und bleibt weiter so bestehen wie jetzt auch.
Fatal an dem Artikel, und die Kleinigkeit, die sich ändert, ist das paradoxe Phänomen, das bereits angesprochen wurde: nach aktuellem Recht kann die Kindergärtnerin verklagt werden (um bei dem Beispiel zu bleiben). Twitch spielte da die Rolle der unbeteiligten Pinnwand, an die dieses besagte Bild von ihr gehängt wurde. Der Rechtsverstoß war klar bei der Kindergärtnerin und sie konnte dafür belangt werden.
Nun ist es aber so, dass die Pinnwand — also Twitch — dafür verklagt werden kann, da Twitch nicht vorher bereits die Rechte des Kindergartenkindes an dem Bild gekauft hat.
Twitch hätte sich bemühen müssen, das Urheberrecht zu überprüfen und gegebenfalls den Upload zu verhindern, wenn die Plattform die Rechte nicht besitzt
Wie Twitch das denn machen soll, und ob das überhaupt im Bereich des Möglichen ist, ist dem Gesetzgeber egal und wird nicht in der Direktive erwähnt, was von diversen Kritikern als extrem paradox, chaotisch und nicht zuletzt gefährlich für die Leben von Kleinkünstlern eingestuft wird.
Was sich auf Twitch ändern muss und wann
Da die Direktive dazu ironischerweise schweigt, ist dies gar nicht klar.
Experten sehen aber die einzige Möglichkeit, sie umzusetzen, in sogenannten Uploadfiltern, die darauf achten, dass nur legale Werke auf Twitch hochgeladen werden.
Anders als durch einen Filtermechanismus — so die IT-Experten — lässt sich nicht im Vorfeld gewährleisten, dass nur legales Material hochgeladen wird.
Und das schon mal gar nicht auf einer Live-Plattform wie Twitch.
Twitch wird also aller Wahrscheinlichkeit nach gezwungen sein, sämtliche Lizenzen aller Videospiele, Musikstücke und Texte zu erwerben, bevor diese auf der Plattform für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Dies wird bei großen Publishern wie Electronic Arts, Ubisoft, Sony Music und Zeitungsverlagen einfach sein. Bei kleinen unabhängigen und selbstständigen Entwicklern, Künstlern und Journalisten wird es aber aufgrund deren geringen Bekanntheitsgrades in der Praxis wohl eher schlecht funktionieren.
Aufgrund dessen wird deren Kunst in Zukunft bei Twitch im schlimmsten Fall nicht mehr vorzufinden sein.
Jeder EU-Mitgliedsstaat hat von nun an 2 Jahre Zeit, diese Direktive gesetzlich festzuhalten. Es bleibt also abzuwarten, wie Deutschland sie final umsetzt. Es kann also sein, dass wir sofort etwas von Artikel 13/17 bemerken, oder erst in 24 Monaten.
Wie dies die Nutzer beeinflusst
Wie vermutlich schon aus dem bisherigen Text hervorging, sind hier hauptsächlich die Nutzer betroffen, die eigene Werke nutzen, an denen sie selbst, aber nicht Twitch, die Rechte besitzen und es von deren Filter nicht durchgewunken wird.
Vermutlich wird Twitch, da es sich um einen Streamingdienst handelt, daher eine Art persönliche Identifikation voraussetzen, wenn ein Nutzer live streamen möchte, da sonst live übertragene Inhalte nicht gefiltert werden können.
Dies bedeutete eine Art Urheberrechtsvertrag, mit der sich der Streamer dazu verpflichtet, nur von Twitch lizenzierte Werke zu nutzen. Dafür wird man voraussichtlich über 18 Jahre alt, also voll geschäftsfähig sein müssen.
Darüber werden möglicherweise auch die Lizenzen kleinerer Künstler erworben. Das bleibt zumindest zu hoffen.
Die genannten Maßnahmen stellen natürlich nur wahrscheinliche, logische Wege dar, die Urheberrechtsdirekive umzusetzen. Möglicherweise wird Twitch es anders umsetzen, was abzuwarten bleibt. Bislang ist aber keine Möglichkeit existent, die sich positiv auf Kleinkünstler und deren Verdienst auswirkt.
Die Ausnahmen
Es gibt diverse Ausnahmen, mit denen man ohne Lizenz urheberrechtlich geschützte Werke hochladen darf: als Review, als Zitat, als Kritik oder als Parodie bzw. Karikatur.
Dies muss aber leider auch im Vorfeld durch Twitch abgeklärt sein, was technisch für Filterprogramme aktuell kaum umsetzbar ist und daher die Gefahr besteht, dass diese Ausnahmen nicht mehr auf Twitch gemacht werden können.
Streamen unter Artikel 13 anhand von konkreten Beispielen
Zuerst das wahrscheinlichste Beispiel. Ein Gamer möchte auf Twitch eines seiner Lieblingsspiele streamen. Er darf dabei ausschließlich die Spiele streamen, an die Twitch und er selbst bereits das Recht gekauft hat, dieses Spiel zu übertragen. Ob dies der Fall ist, wird man bei Twitch erfragen müssen. Genauso bei im Hintergrund laufender Musik. Auch jeder einzelne Musiktitel im Hintergrund muss bei Twitch lizenziert werden und vom Streamer geprüft sein, sonst darf er dieses Lied, nicht als Hintergrundmusik abspielen. Auch Dienste wie Spotify bieten da keine Ausnahmeregelung.
Zusätzlich darf besagter Streamer auch keine Texte mehr vorlesen, an denen Twitch die Streamingrechte nicht besitzt. Dazu zählt bereits ein Gedicht vom Großvater und Ähnliches.
Sollte es sich hier natürlich um ein journalistisches Review, Kritik, einen bis zu 30 Sekunden langen Ausschnitt oder Parodie/Satire halten, ist das wieder legal und okay.
Konzertaufnahmen, Aufnahmen aus dem Kino oder Ähnliche Streams sind weiterhin illegal und strafbar, sofern man nicht vom Musik- oder Filmlabel offiziell dafür angestellt wurde und die Verwertungsrechte gekauft hat. Da diese Rechte vermutlich auch in Zukunft nicht von Videoplattformen gekauft werden, da es nicht im Sinne besagter Plattformen ist, gegen das Gesetz zu verstoßen, wird dies höchstwahrscheinlich auch nicht legal und strafbar sein.
Grundsätzlich ist selbst jetzt schon davon abzuraten, urheberrechtlich geschützte Werke ohne Livestreamrechte zu übertragen. Seit der neuen Reform des Urheberrechts kann dies nur nochmals hervorgehoben werden.
Bleibt noch das Public Streaming an sich.
In der Öffentlichkeit Menschenmassen zu filmen und zu übertragen, wird — sofern nicht das Recht am eigenen Bild verletzt wird —nicht von der Urheberrechtsrichtlinie betroffen sein. Musik und andere Werke, die man im Hintergrund auf einer Messe sieht und hört, fallen nicht unter das Urheberrecht, wenn der Streamer nicht explizit auf den besagten Bildschirm hält oder das Mikrofon an die Box hält. Dies fällt unter die Ausnahmeregelungen des existenten deutschen Urheberrechts und ist auch weiterhin erlaubt.
Fazit
Der normale Twitchstreamer wird durch Artikel 13/17 wenig Einschränkungen bemerken, da die jetzigen Gesetze nur stärker umgesetzt werden.
Kleine Künstler und Spieleentwickler werden aber, so wie es bisher aussieht, aufgrund der Direktive sehr viele Probleme bekommen, ihre Brötchen weiter zu verdienen.
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