Ohne Zähne isst es sich schwer
Dass sich das Team von Gamepires keine Mühe gegeben hätte, können wir schon einmal nicht bestreiten. Denn mit dem Realismus-Anspruch stößt SCUM in ganz neue Dimensionen vor. Dennoch fehlt bisher ein Spielziel abseits des Überlebens. Die Insel, auf der wir uns als Gefangener befinden, ist satte 144.000 qm² groß und bietet uns einen enormen Spielraum. Bewaldete Gegenden wechseln sich ab mit weiten Seenplatten und Orten, in denen sich leer stehende Gebäude finden. Der Tag- und Nachtwechsel sowie ein dynamisches Wettersystem sorgen für eine authentische Atmosphäre. SCUM schafft mit einfachen Mitteln ein Survival-Gefühl, wie wir es von einem Spiel dieser Art erwarten. So wabert morgendlicher Nebel zwischen den Bäumen und irgendwo hört man das Stapfen eines dicken Mechs, der eine militärische Basis bewacht.
Hier soll es also stattfinden, das Überleben unter härtesten Bedingungen. Dabei genügt es nicht, sich eben eine Waffe zu schnappen und den nächsten Gegner zu suchen. Ganz im Gegenteil. SCUM geht in die Tiefe und offeriert damit ganz neue, ungewohnt dynamische Eigenheiten. Denn die Details sind es, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Wenn wir uns bei der Charaktererstellung beispielsweise ein Alter Ego mit vielen Muskeln erschaffen, sind wir zwar stärker und können mehr tragen; jedoch benötigen wir dementsprechend mehr Nahrung. Denn wer nicht auf eine ausgewogene Ernährung achtet und Vitamine nur vom Hörensagen kennt, dem fallen mit der Zeit die Zähne aus. Und ohne Zähne in der Kauleiste, die mehr sind als Lachknochen, fällt die Nahrungsaufnahme entsprechend problematisch aus.
Was ist SCUM eigentlich?
Mit SCUM werfen uns die Entwickler in eine fiktive Welt, in der sich die Welt vom Blutrausch in der Unterhaltungsindustrie nährt. Der Mediengigant TEC1 hat schon eine neue TV-Sensation geplant und bereitet die zweite Staffel von SCUM vor. Die neue Reihe wird nicht mehr in geschlossenen Bereichen stattfinden, sondern die Gefangenen auf der SCUM-Privatinsel gegeneinander loslassen. Zuschauern sollen rücksichtslose Kämpfe zu sehen bekommen und das Überleben aus nächster Nähe verfolgen können. Dabei eifern die Gefangenen um Sponsoren, Zuschauer und Produzenten um die Möglichkeit, die Insel lebend verlassen zu können.
Was ein wenig nach „Flucht von Absolom“ klingt, zeichnet sich im Spiel durch das blanke Überleben mit bis zu 63 Mithäftlingen aus. Anders als „übliche“ Battle-Royale-Titel werden wir jedoch mit einer Vielzahl von Informationen zu unserem Charakter überhäuft. Denn dieser soll so realistisch wie möglich umgesetzt sein. Dies bedeutet eben auch, dass der gesamte Metabolismus ständig berechnet wird. So kann der erste Blick auf die Übersicht schnell für einige Verwirrung sorgen. Denn neben dem Herzschlag, der Atemgeschwindigkeit und der Körpertemperatur sehen wir hier auch die Verteilung der einzelnen Spurenelemente. Diese haben alle Auswirkungen auf das Verhalten des Charakters. So wird der virtuelle Spieler maßgeblich durch das beeinflusst, was er zu sich nimmt. Damit wird es möglich, dass dieser viel zu viel zu sich nimmt und dicker wird, oder aber wie ein Strich durch die Landschaft hüpft, wenn er nicht ausreichend isst. Durch diese Dynamik ergeben sich durchaus wesentliche Spielbeeinflussungen. Ein fitter Spieler wird uns, wenn wir übergewichtig durch die Pampa rennen schneller einholen, als wenn wir selbst auf ein gutes Körperbewusstsein achten. Selbes gilt für alle anderen physischen Betätigungen.
Nebenbei: Ein korpulenter Körper ist jedoch in einem ganz anderen Punkt von Vorteil. Denn die Spieler erhalten Fame Points, die ihre Beliebtheit in der virtuellen Welt symbolisieren. Fettleibig Spieler bekommen mehr dieser Punkte, da diese für die Zuschauer unterhaltsamer anzusehen sind.
Wer hat den Haufen zurückgelassen?
Um die Authentizität abzurunden, wurde vonseiten der Entwickler ebenfalls daran gedacht, was mit den Dingen geschieht, die wir als Spieler in SCUM zu uns nehmen. Denn diese müssen irgendwann wieder raus. So dürfen wir unsere Exkremente ebenso in der Spielwelt zurücklassen, wie unseren Urin. Wo und wie wir Letzteren loswerden können, zeigt einer der Trailer zu SCUM. Dass dies hoffentlich die Ausnahme ist, bleibt zu hoffen. Ebenso ist es möglich, etwas, das wir gegessen haben und von dem wir schnell bemerken, dass es uns nicht guttut, via Erbrechen loszuwerden. Die gleiche körperliche Regung zeigt sich, wenn wir über unseren Fitnesslevel hinaus rennen.
Der körperliche Status beeinflusst so, viele Einzelbereiche und wirkt sich direkt auf das Spiel aus. Einmal am Limit angekommen, werden wir keinem Bären mehr davonlaufen oder den Rückstoß einer Waffe kontrollieren können. Natürlich werden diese Dinge ebenfalls beeinflusst von den Grundfaktoren, die wir bei der Charaktererstellung festlegen. Hier wählen wir einen Mix aus Stärke, Geschicklichkeit, Widerstandsfähigkeit und Intelligenz. Damit legen wir unsere allgemeine Befähigung fest, wie unser virtuelles „Ich“ sich in SCUM verhält. Dass dies freilich durch unser Handeln zusätzlich bestimmt wird, ist selbstredend.
Knackis in einer offenen Welt
Mit dem Open-World Sandbox Survival, will sich das kroatische Studio absetzten von dem „Einheitsbrei“, der aktuell in der Szene vorherrscht. Ganz gezielt wird daher auf bestimmte Mechanismen gesetzt, die das Besondere leisten sollen. Wie das Durchnässen des Charakters. Jedoch wird das nicht nur grafisch dargestellt. Gamepires macht ebenfalls in diesem Fall keine halben Sachen. Wer in voller Montur mit Rucksack und restlicher Ausrüstung ins Wasser springt, wird untergehen. Erst wenn wir unseren Rucksack ablegen und die schweren Gegenstände abwerfen, haben wir eine Chance, wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen.
Ähnlich tief greifend verhält es sich im Regen. Da SCUM das Tragen mehrerer Schichten erlaubt, saugen die sich bei ausreichend Nässe immer mehr mit Wasser voll. Damit werden sie schwerer und schränken den Spieler mit zunehmender Zeit, die er im Regen verbringt, immer mehr ein. Abhilfe schafft ein Regencape oder das Unterstellen in einer Behausung. Ebenso wirkt sich Schweiß aus. Nur durchnässt dieser die Ausrüstung von innen. Zum Trocknen lassen sich die einzelnen Teile dann formschön um das Feuer legen. Die Möglichkeiten münden dann in dem umfangreichen Crafting-System. Hier können wir uns völlig austoben, vorausgesetzt wir haben die nötigen Materialien bereits besorgt. Damit gibt das Entwicklerteam uns alles an die Hand, um uns kreative zu verwirklichen.
Dabei verspricht der Entwickler, das Wissen und Können die ultimative Waffe für ein langfristiges Überleben sein sollen. So stehen uns eine Menge von Statistiken und Rückmeldungen zur Verfügung, um die Zusammenhänge zu interpretieren. Mit den daraus richtigen Schlüssen kommen wir als Spieler tatsächlich deutlich weiter, als unsere anfängliche Idee, schnell eine Waffe zu finden und einfach alles zu beschießen, was uns in die Bahn kommt.
Fähigkeiten und deren Verbindungen
Alles in SCUM ist irgendwie miteinander verbunden. So haben übergewichte Spieler weniger Ausdauer. Dafür benötigen diese weniger Nahrung, da sie von ihren „Reserven“ zehren. Spieler, die eher unterernährt sind, können sich nicht richtig konzentrieren, was zu Zittern führt. Damit fällt das Zielen schwerer. Und wer keine Zähen mehr hat, weil ihm die Ernährung bisher egal war, wird sich Brei besorgen müssen, um etwas Nahrung in den Körper zu bekommen. SCUM schafft es auf diese Weise, dem Spieler seine Handlungen als Konsequenzen vor Augen zu führen.
Mit dieser Mechanik ermöglicht es Gamepires, auf subtile Weise, die Beziehung zwischen uns und unserem Spieler zu festigen. Ebenfalls lädt uns das Spiel ein, einen optimal ausbalancierten Körper zu formen, mit dem wir eine bessere Chance auf das Überleben haben. Damit ist SCUM ein enorm komplexes Online-Survival-Spiel, das es in dieser Form noch nie gab. Klingt gut. Oder? Fast. Denn einen Haken hat das Ganze.
Was gibt es auf der Privatinsel für Gefangene zu tun?
SCUM – ein Fazit
Der neue Stern am Battle-Royal-Himmel heißt SCUM und bietet gerade zu Beginn etwas Neues. Etwas Forderndes. Vitaminversorgung, Stoffwechsel, Crafting, Feuchtigkeit und zahlreiche weitere Details machen SCUM zu einem beeindruckenden Erlebnis, das ebenfalls von der guten Grafik und dem knackigen Sound getragen wird. Dennoch wird es nach einer Weile absolut grindlastig, denn das Überleben lässt sich relativ gut bewerkstelligen und dann gibt es nicht mehr viel zu tun. Aktuell zumindest. So bleibt uns nur einem der anderen 63 Spieler auf der riesigen Karte aufzulauern.
Ballistik, Rückstoß, realistische Animationen. Gefechte machen richtig Spaß und sind präzise umgesetzt. Durch das Survival-Element bekommt das komplexe Spiel die extra Würze. Ob es ein ernst zu nehmender Konkurrent zu Fortnite oder PUBG werden kann, muss zum aktuellen Zeitpunkt unbeantwortet bleiben. Denn ein mitreißendes Spielerlebnis ist bisher nur bedingt gegeben.